Ausgabe: HAZ  Datum: 01.06.2005

Feinstaub: Gericht zwingt Kommunen zum Handeln

Stuttgart muss Maßnahmen gegen schmutzige Luft ergreifen

Stuttgart (afp/ap/ddp). Das Land Baden-Württemberg muss einen Aktionsplan zur Reduzierung der Luftbelastung mit gesundheitsgefährlichem Feinstaub erstellen. Dies hat das Verwaltungsgericht Stuttgart am Dienstag auf die Klage von zwei Bürgern der Stadt entschieden. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass das Land seit September 2003 Zeit gehabt habe, sich auf die Anfang dieses Jahres in Kraft getretene EU-Grenzwerte zur Feinstaubbelastung vorzubereiten.
Der Aktionsplan dient laut Urteil „als Vorschaltmaßnahme“ gegen eine weitere Überschreitung von Grenzwerten. Der maßgebende Grenzwert sei in diesem Jahr in Stuttgart bereits „an mehr als 70 Tagen überschritten worden“, betonte das Verwaltungsgericht. 35 Überschreitungen sind jährlich erlaubt. Zur Urteilsbegründung berief sich das Gericht auch auf Artikel 19 des Grundgesetzes, der einen Anspruch auf geschütztes Individualinteresse gewähre. Kläger Rupert Kellermann zeigte sich zufrieden über seinen Erfolg: „Der Druck auf das Regierungspräsidium wird zunehmen, geeignete Maßnahmen vorzulegen“, sagte er. Beide Kläger befürchten gesundheitliche Nachteile durch die dauernde Überschreitung des Grenzwerts. „Wir brauchen weder öffentlichen Druck noch gerichtlichen Zwang, um einen Aktions- und Luftreinhalteplan zu erstellen“, sagte dagegen Regierungspräsident Udo Andriof. Es werde mit Hochdruck an einem Maßnahmenkatalog gearbeitet.
Umweltverbände sprachen von einer „bundesweiten Bedeutung“. „Die Klagebegründung ist eine Ohrfeige für das Land Baden-Württemberg und das Regierungspräsidium. Beide waren zu lange untätig und haben auf die Erhöhung der Grenzwerte in Bereiche gehofft, die nie erreicht werden würden“, sagte Klaus-Peter Gussfeld, BUND-Verkehrsreferent.
Nach den Ergebnissen einer vom Gericht zitierten Studie sterben jedes Jahr etwa 300 000 Europäer wegen Feinstaubs aus dem Straßenverkehr und der Industrie vorzeitig an Herz- und Krebserkrankungen. Die Lebenserwartung jedes Europäers sinke durchschnittlich um neun Monate.
(Az.: VG Stuttgart 16K 1121/05; 16K 1120/05)
VW stellt Rußfilter in Frage: Volkswagen-Chef Bernd Pischetsrieder hat unterdessen die Verabredung zwischen Bundesregierung und Autoindustrie in Frage gestellt, wonach bis spätestens 2009 alle neu zugelassenen Diesel-Pkw mit Rußfiltern ausgerüstet sein sollen. Solche Filter gelten als bestes Mittel gegen Feinstaub. Die Bundesregierung habe im Gegenzug zugesagt, Neufahrzeuge mit Rußfilter steuerlich zu fördern, sagte Pischetsrieder. Am vergangenen Freitag hatte der Bundesrat eine solche Förderung jedoch abgelehnt.